Die „Gesellschaft für christliches Leben unter den deutschen Blinden e.V.“ …
… wurde im Jahre 1904 gegründet von den Herren Prediger P. Reiner, damals in Mainz, dann Berlin, Privatlehrer H. Kolass, Frankfurt a. M., Ed. Elwenn, Frankfurt a. M., Georg Guillod, damals Frankfurt a. M., dann Schweiz, und J. Reusch, damals Darmstadt, dann Hamburg und Wernigerode. Sie wurde in das Vereinsregister in Frankfurt/Main eingetragen.
Das Vereinsziel: „Verbreitung christlichen Schriftgutes unter den Blinden deutscher Zunge“. Die Kontakte reichten nicht nur bis in die Schweiz, Österreich und Norditalien, sondern erreichten z.B. auch Wolgadeutsche oder Auswanderer in den USA. In den damals noch üblichen Blindenheimen wurden die Schriften von vielen gelesen.
1923 zog die Gesellschaft mit Julius Reusch, mitten in der Inflationszeit, von Hamburg nach Wernigerode in die Oberengengasse 12 neben das Kantorat. 1925 war endlich die eigene Druckerpresse aus Berlin eingetroffen. Die teuren Aufträge wichen der Eigenproduktion. Die Räumlichkeiten dafür, eine Garage mit einem benachbarten Raum, reichten zunächst, waren aber kalt, feucht und unzumutbar für einen dauerhaften Betrieb.
1928 wurde die Gesellschaft Eigentümerin des Hauses am Pulvergarten 2. Vorbesitzer war das Fürstenhaus zu Stolberg-Wernigerode, das sich aufgrund der Verschuldung nach der Steuerreform das Haus nicht mehr leisten konnte. Dort fand man die dringend benötigten Räumlichkeiten für den Verlag, die Blindenschriftdruckerei und die Leihbücherei. Neben Periodika, wie z. B. „Der Beste Freund“ oder „Licht in das Dunkel“, die in alle Welt gingen, wurden Bücher, Broschüren und Bibeln in Braille-Punktschrift verlegt, gedruckt und versandt. 1933 lag unter anderem bereits die Gesamtausgabe der „Stuttgarter Jubiläumsbibel“ in 33 Bänden vor.
Zusätzlich konnten in dem um 1870 im Landhaus-Stil erbauten Haus zusätzlich Räume für blinde „Sommerfrischler“ in einem evangelischen Blindenerholungsheim angeboten werden. (später Helmut Kreutz-Haus).
Text: Christa Beutel und Christine Oppermann-Zapf
Einen kleinen Einblick in die Tätigkeit und Weiterentwicklung des Vereins geben einige Vorstandsberichte, die heute im Archiv der Stadt Wernigerode lagern. Der kleine tabellarische Auszug Tätigkeitsberichte 1920-1974 (PDF-Datei) gibt einen kleinen Eindruck.
Wichtige Persönlichkeiten der „Gesellschaft“:
Paul Reiner
Vorsitzender 1904 – 1922, Prediger, Mainz
Julius Reusch
Geschäftsführer 1920 – 1928, Kantor, Hamburg/Wernigerode
Immanuel Koezle
Vorsitzender 1926 – 1927, Buchhändler in Wernigerode
Gottlob Koezle
Vorsitzender 1927 – 1930, Buchhändler in Wernigerode
Hans Beyling
Vorsitzender 1930 – 1939, Seminarlehrer in Halle
Der Zweite Weltkrieg brachte Einschränkungen und unterbrach dann die Arbeit der Gesellschaft für christliches Leben unter den deutschen Blinden.
Nach dem Krieg wurde mit der Teilung Deutschlands auch die Evangelische Blinden- und Sehbehinderten-Seelsorge in Deutschland geteilt. In der DDR wurde sie 1952 als „Christlicher Blindendienst (CBD) in der Inneren Mission“ eine unmittelbar kirchliche Einrichtung. Weiterlesen: Standort Wernigerode Pulvergarten 2 (1923-2016)…
In der Bundesrepublik gründete sich 1953 der Christliche Blindendienst (CBD). Weiterlesen: Evangelischer Blinden und Sehbehindertendienst Deutschland e.V. (EBS), Marburg (1953-2009)