Standort Wernigerode, Pulvergarten 2
1923 zog die Gesellschaft für christliches Leben unter den deutschen Blinden e.V. (siehe Die Anfänge: 1904, Gesellschaft für christliches Leben) mit seinem Geschäftsführer Julius Reusch nach Wernigerode in die Oberengengasse 12, es war eher eine Übergangslösung, ein Provisorium.
Im Jahr 1927 konnte ein geeignetes Haus im Pulvergarten 2 gekauft werden. Die Druckerei brauchte nicht den gesamten Platz und ein Beherbergungsbetrieb für „blinde Sommerfrischler“ konnte zusätzlich angeboten werden.
Der 2. Weltkrieg brachte zunächst Einschränkungen für die Arbeit der Einrichtung. Ab 1942/43 kam diese ganz zum Erliegen, da im Haus „Kriegsgeschädigte“ untergebracht werden mussten. Erst Anfang der 1950er konnte neben der Erholungsstätte auch wieder mit der Herstellung von Schriftgut begonnen werden, zunächst unter dem Dach des Evangelischen Kirchenkreises Wernigerode, später als „Christlicher Blindendienst in der Inneren Mission“.
Trotz der Einschränkungen durch die DDR-Mangelwirtschaft konnten die Bedingungen für die traditionelle Arbeit stetig verbessert werden. Die im Haus liegende Blindenschriftdruckerei versorgte blinde und sehbehinderte Menschen im In- und Ausland mit christlichem Schriftgut in Punktschrift. Die Qualität dieser Erzeugnisse wurde sehr geschätzt, rund 70% der Punktschrifterzeugnisse gingen aus der DDR in den Export in den deutschsprachigen Raum.
Nach der deutschen Wiedervereinigung wurde der Christliche Blindendienst in der DDR im Jahr 1991 Mitglied im Evangelischen Blinden- und Sehbehindertendienst in Deutschland e. V. (EBS). Daraus ergaben sich neue Möglichkeiten. Die laute Druckerpresse konnte 1996 aus dem Gästehaus in das neue benachbarte Druckereigebäude umziehen. Eine Finanzierung mit den über Jahre gesammelten Spenden von Blinden und Sehbehinderten der DDR, zusätzlichen Mitteln des EBS, einer Erbschaft und über Toto-Lotto-Mittel ermöglichte dies. Anschließend konnte der EBS in den Jahren 1998 bis 2003 das Haus grundhaft sanieren und barrierefrei ausbauen. Dabei half der hessische Unternehmer Helmut Kreutz mit großzügigen Spenden. Das Haus erhielt nun den Namen „Begegnungsstätte Helmut Kreutz-Haus“.
Ab 2006 musste die Blindenschriftdruckerei geschlossen werden. Der laufende finanzielle Aufwand überstieg die Möglichkeiten des EBS e.V. und seiner Spenderinnen und Spender bei weitem. Außerdem brachte die Entwicklung der Computertechnik den blinden und sehbehinderten Menschen zusätzliche und neue Möglichkeiten der Kommunikation.
Im November 2005 wurde die Helmut Kreutz-EBS-Stiftung vom Evangelischen Blinden- und Sehbehindertendienst (EBS) und dem Unternehmer Helmut Kreutz gegründet. Die Begegnungsstätte am Pulvergarten 2 wurde vom EBS in die Stiftung eingebracht. Was sich schon einige Zeit abzeichnete: eine Einrichtung zur Beherbergung von Gästen muss aus wirtschaftlichen Gründen mindestens 90 Betten haben, um kostendeckend zu arbeiten. Die Preise sollen andererseits für Blinde und Sehbehinderte aber erschwinglich bleiben. Pläne zur Erweiterung müssen nach und nach aus Platzgründen verworfen werden. Aus diesem Grund hat sich die Stiftung schweren Herzens entschlossen, die Beherbergung aufzugeben und das Stiftungskapital zur Förderung der Inklusion einzusetzen
Hausleiter des Evangelischen Blindenerholungsheimes (später Helmut-Kreutz-Haus) 1928 – 2016
1928 – 1929 Hausmutter: Maria Weicke aus Berlin
1929 – 1930 Hauseltern: Fritz und Mina Riexinger aus Bückenbronn / Baden
1930 – 1935 Hausmutter: Christine Haehnelt
1936 – 1966 Hauseltern: Philipp und Martha Mertz aus Herrnhut
1966 – 1997 Heimleiter: Rudolf und Christa Beutel aus Merseburg
1997 – 2004 Heimleiter: Bernd und Gisela Hönicke aus Dresden
2005 – 2016 Hausleiterin: Christine Oppermann-Zapf aus Wernigerode
Seit Anfang 2017 dient das „Helmut-Kreutz-Haus“ dem betreuten Wohnen von ehemals Suchtkranken nach deren Therapie in der Diakoniekrankenhaus Harz GmbH Elbingerode (Harz).